Archiv des Autors: Antira-Vernetzung SH

Bericht aus Belgrad

Belgrad, 28.02.16

Gestern Abend waren wir in Belgrad im Park vor dem Hauptbahnhof, in dem in den letzten Monaten viele Menschen auf der Flucht übernachtet haben. Im Sommer sollen teilweise bis zu 1000 Menschen dort gewesen sein. Während dieser Zeit gab es eine kleine Holzbude als Anlaufstelle, die sich Infopark nannte. Außerdem gab es ein besetztes Haus, von dem aus Unterstützung organisiert wurde und es wurde regelmäßig gekocht. Inzwischen wird der Park nachts von der Polizei geräumt und die Menschen sind gezwungen, sich in den angrenzenden Straßen zu verstecken oder, wenn sie Geld und Papiere haben, ein Hostel zu bezahlen. Viele Leute schlafen nachts überhaupt nicht und sind 24 Stunden draußen Kälte und Regen ausgesetzt. Auch die zehn öffentlichen Toiletten, die es vorher im Park gab, wurden entfernt, sodass viele Menschen keinen Zugang zu Sanitäranlagen haben. Weiterlesen

Bericht aus Sid: Nächtliche Push-Backs und politischer Protest

Sid, 28.02.16

Von Kroatien sind wir nach Sid auf der serbischen Seite der Grenze gefahren, um uns einen eigenen Eindruck von der unübersichtlichen Situation zu machen. Als wir versuchten das Camp zu betreten, erklärte uns eine Frau von einem serbischen Sicherheitsdienst, dass wir ohne eine behördliche Registrierung als Volunteer in Serbien kein einziges Camp betreten dürften und schickte uns fort. Weiterlesen

New report about the situation on the balkanroute

Only 580 people will be allowed to enter each country per day. This new quota was set by Austria, and has already been implemented in Slovenia and Croatia. We also read a report from Presevo in Serbia that the supporting structures there will be scaled down according to the lower number of people expected. This quota will probably be applied in all of the countries along the ‚Balkan route‘. That means that a huge amount of people will be stuck in Greece, since current number of daily arrivals on the Greek islands is about 2500 (average from 19th – 25th February 2016 – from: http://data.unhcr.org/mediterranean/download.php?id=756 ). Weiterlesen

Griechische Polizei stürmt Haus von internationalen Refugee-Unterstützer_innen

[RePost from AID DELIVERY MISSION]

Druck der Europäischen Union auf Griechenland, schärfere Maßnahmen in Fluchtpolitik zu ergreifen, wird direkt umgesetzt

Heute Morgen, am 1. Februar 2016, hat die griechische Polizei mit teilweise schwer bewaffneten Sondereinheiten die Unterkunft von internationalen Refugee-Unterstützer_innen in der Nähe der griechisch-mazedonischen Grenze gestürmt. Das komplette Haus sowie alle umstehenden Busse wurden mit Hunden durchsucht; alle anwesenden Personen mussten sich Leibesvisitationen unterziehen. Der angebliche Grund für die Razzia sei die Suche nach Drogen. Gefunden wurde nichts außer ein paar Taschenmessern. „Es ist einfach absurd“, so eine der Unterstützer_innen „Wir kochen Suppe! Es scheint als ob die Kriminalisierung von Helfer_innen nun von den Inseln auch zu uns hinüber schwappt.“ Weiterlesen

Abschiebeknäste abschaffen! Flucht ist kein Verbrechen!

Solidarität mit allen Flüchtenden, die gerade im Knast sitzen

nojusticenopeace

Vor einigen Tagen erreichte uns die Nachricht, dass mehrere Freund*innen von uns im griechischen Abschiebeknast Paranesti bei Drama nahe der bulgarischen Grenze festsitzen. Wir haben sie im Transit ihrer Flucht aus Marokko Richtung Deutschland in einem besetzten Haus in Thessaloniki kennengelernt und stehen seither in engem Kontakt.

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Erfahrungen von einer Reise entlang der türkisch-bulgarischen Grenze Dezember 2015

(english version below)

Ende 2015 sind wir nach Bulgarien aufgebrochen: Eine Gruppe von mehr als 20 Leuten, mehrere Fahrzeuge, medizinische Ausrüstung, Spenden mit warmer Kleidung. Wir hatten uns vorgenommen, Flüchtlinge auf ihrem Weg über die sogenannte „Balkan-Route“ nach Europa zu unterstützen. Obwohl viele Medien über die Lebensgefahr und unmenschliche Behandlungen berichten, die Menschen auf ihrem Weg durch Bulgarien durchmachen und einige von uns bereits in Camps an der bulgarisch-serbischen Grenze gewesen waren, so hatten wir doch keine wirklichen Informationen aus erster Hand über die Situation der Flüchtlinge, welche die Grenze von der Türkei nach Bulgarien passieren. Weiterlesen

Erfahrungsbericht über Zustände in Griechenland und Mazedonien

flyer-17-01
17.01.16, 18 Uhr
SubstAnZ, Frankenstraße 25a

No Border, No Nation – Just People

Erfahrungsbericht über Zustände in Griechenland (Idomeni) und Mazedonien

Seit dem 18. November sind auf der sog. Balkanfluchtroute die Grenzen nur noch für Flüchtende aus Syrien, Irak und Afghanistan offiziell passierbar. Diese Trennung in „anerkannte“ und „illegale“ Flüchtende macht es umso wichtiger, alle Menschen auf ihrer Flucht zu unterstützen.

Unmittelbar nach der partiellen Grenzschließung formten sich besonders an der Griechisch-Mazedonischen Grenze in Idomeni Proteste, bei denen die Grenze zeitweise gestürmt wurde, Schienen blockiert wurden und Menschen in trockenen Hungerstreik getreten sind. Polizei und Militär ist gewaltvoll unter Einsatz von Tränengas, Schlagstöcken und Gummigeschossen gegen die Proteste vorgegangen. Es wurde sogar mit scharfer Munition auf Flüchtende geschossen.

Seit der brutalen Räumung des Camps bei Idomeni am 9.12. werden alle Menschen, die nicht aus Syrien, Irak oder Afghanistan kommen, mit Bussen zurück nach Athen in Abschiebelager gebracht und teilweise direkt in ihre Herkunftsländer abgeschoben. Viele Menschen, die nicht den legalen Weg gehen können, versuchen zu Fuß die Grenzen zu überqueren. Besonders in Mazedonien werden Menschen immer wieder von Schleppern oder lokalen Kriminellen brutal ausgeraubt, zusammengeschlagen und mit Waffen bedroht. Außerdem müssen sie sich ständig davor in Acht nehmen, von der Polizei oder dem Militär aufgegriffen und zurück nach Griechenland gepusht bzw. in Abschiebegefängnisse in Mazedonien gebracht zu werden. Einige Menschen verschwinden spurlos.

Diese rassistische und menschenverachtende Politik verstößt gegen das Grundrecht auf Asyl und nimmt billigend in Kauf, dass Menschen auf ihrer Flucht sterben.

In der Veranstaltung werden Aktivist*innen sprechen, die vor der Räumung in Idomeni gekocht haben (NoBorderTrainKitchen) und angefangen haben ein Support-Netzwerk für illegalisiert reisende Flüchtende in Mazedonien aufzubauen. Sie werden von ihren Erfahrungen in Griechenland und Mazedonien berichten und über Möglichkeiten zum weiteren Support sprechen. Mit diesem persönlichen Erfahrungsbericht soll informiert werden und dazu aufgerufen werden, weiter und umso mehr aktiv zu werden, praktische Solidarität zu zeigen und Fluchthilfe zu leisten.

Bedenkt: Die Bilder und Erzählungen stellen teilweise gewaltvolle und schlimme Situationen/Zustände dar. Achtet auf euch und sagt, wenn es zu viel ist.

Freedom of Movement For Everybody, Now!

No one is illegal!

In Kooperation mit dem Café Résistance – Offener antifaschistischer Treff Osnabrück

Weitere Infos: www.openborder.noblogs.org und
www.grenzenloskochenhannover.blogsport.de

fb-link

Kontextbericht: Ein Überblick über die Gesamtsituation (16.12.2015)

Beim Squat in Thessaloniki findet momentan viel Vernetzungsarbeit und Informationsaustausch statt. Von dort aus wollen wir einen Abriss über die Gesamtsituation geben.

Schon in der Türkei werden Refugees derzeit gewaltsam von (Grenz)polizist*innen zurückgehalten, ohne überhaupt erst ihre lebensgefährliche Überfahrt mit dem Boot auf eine der griechischen Inseln zu vollziehen. Boote werden gezielt angegriffen und somit Menschen gezwungen noch gefährlichere, weitere Routen über das Mittelmeer zu nehmen.

Angekommen auf griechischem Boden (meist Lesbos, Kos, Chios) werden die Menschen registriert – auf Grundlage der Dokumente, falls vorhanden. Mit den griechischen Registrierungspapieren, die ihnen erlauben, 30 Tage in Griechenland zu sein, reisen die Menschen weiter an die griechisch-mazedonische Grenze (Idomeni). Mit Bussen kommen die Leute zunächst in der Nähe von Polykastro an einer Raststätte an der Autobahn an, von wo aus immer einzelne Busse weiter zum Grenzübergang Idomeni/ Gevgelija in Begleitung einer Polizeieskorte weiterfahren. An der Grenze werden die Personen dann von der mazedonischen Grenzpolizei nach Nationalität selektiert. Nur Menschen mit syrischen, afghanischen und irakischen Papieren werden durchgelassen. Alle anderen werden von der Polizei direkt zurück in die Busse begleitet und kostenpflichtig nach Athen abtransportiert. Trotz Bekanntheit dieser rassistischen Prozedur werden alle Refugees nach Idomeni gefahren, um dann dem entwürdigenden und gesetzeswidrigen Pushback (engl. für zurückschieben) ausgesetzt zu sein.

Von Idomeni schaffen es immer wieder vereinzelt Menschen, die nicht die „richtige” Nationalität vorweisen können, sich abzusetzen, um andere Wege über die Grenze nach Mazedonien zu suchen.

Zurück in Athen werden alle zurückgeschobenen Refugees im Taekwondo Stadion untergebracht. Aktuell befinden sich dort 2000 – 3000 Menschen. Nur offizielle Organisationen oder NGOs haben Zutritt zu dem Stadion, keine unabhängigen Unterstützer*innen. Die Menschen dort dürfen das Stadion zwar verlassen, jedoch nur bis 20 Uhr, dann wird alles abgeriegelt. Immer wieder kommt es unter dem Umstand, dass viele Menschen auf engem Raum zusammengepfercht sind, zu Konflikten. Gestern wurden 100 Marokkaner*innen aus dem Stadion verhaftet und in ein Detention-Center gebracht, um von dort aus zurück nach Marokko abgeschoben zu werden. Gerüchten von marokkanischen Flüchtenden zufolge sind 2 Menschen in dem Stadion gestorben.

Es gibt die Vermutung/ das Gerücht, dass Schlafmittel in das Abendessen gemischt wird, da die Menschen danach auffällig müde sind.

Was sich ganz aktuell abzeichnet ist eine anstehende Veranstaltung in besagtem Stadion, die am kommenden Mittwoch stattfinden soll. Aufgrund dessen soll das komplette Stadion geräumt werden. Das bedeutet konkret für die Menschen, die dort derzeit wohnen, entweder die direkte Abschiebung (in die Türkei oder ins Herkunftsland) oder ein Abtauchen in die Illegalität und auf die Straße.

Im Squat in Thessaloniki sind momentan viele Menschen, die nach der Räumung des Idomeni-Camps und der Proteste dort nicht über die Grenze konnten und nun seit etwa einer Woche hier wohnen, sich vernetzen, informieren und über mögliche Perspektiven nachdenken. Während dieser Räumung wurden einige Familien getrennt. Einige Familienmitglieder, die es nicht geschafft haben sich dem Rücktransport zu entziehen, wurden nach Athen abtransportiert. Andere konnten rechtzeitig den Ort verlassen und nach Thessaloniki kommen – einerseits um sich zu organisieren und andererseits um sich nach teilweise vier Wochen Protestieren und Ausharren in Idomeni zu erholen.

Es macht fassungslos und verzweifelt, zu beobachten, dass tausende von Menschen, die hier aktuell in Griechenland festhängen und die Grenze nicht auf legalem Weg überschreiten können, keine andere Wahl haben als mit „Schleppern” auf inoffiziellem und somit extrem gefährlichem Wege nach Mazedonien zu reisen. Die sogenannten Schlepper sind leider oftmals Teil mafiöser, krimineller Banden, die die Flüchtenden (auch auf offener Straße, an der Autobahn) ausrauben, misshandeln und ihnen allen Besitz abnehmen. Diese Banden arbeiten korrupt mit Polizist*innen und anderen Banden zusammen, sodass alle Beteiligten ihren Anteil bekommen. Da es aber keine andere Möglichkeit gibt, mit Papieren anderer Nationalität als der syrischen, irakischen oder afghanischen die Grenze zu übertreten, bleibt keine Alternative. Fluchthilfe zu leisten, in dem z.B. Privatpersonen Menschen in ihren Autos über Grenzen oder lediglich durch Mazedonien fahren, wird kriminalisiert und mit jahrelanger Haft für die Fluchthelfer*innen und 3 Monaten Haft mit anschließender Abschiebung für die Flüchtenden bestraft. Diese extreme Repression führt dazu, dass diese Menschen, die ohnehin vor Krieg, Verfolgung, Gewalt und Existenzverlust fliehen, wehrlos erneuter Gewalt und Traumatisierung ausgesetzt und bis auf die letze Würde ausgenommen werden.

Wir haben gehört, dass Tausende hier in Thessaloniki sind, um mit den entsprechenden z.T. mafiösen Fluchthelfern in Kontakt zu kommen und dann auf diesem illegalen Weg weiterreisen müssen.

Es gibt Menschen, die an den Autobahnen durch Mazedonien Menschen unterstützen, indem sie mobil Essen, Wasser, Klammotten und Informationen verteilen. Auch Bordermonitoring wird zunehmend wichtiger, um alternative Routen ausfindig zu machen.

Die Kriminalisierung der Fluchthilfe und die Illegalität dieser Art der Durchreise machen es unglaublich schwer, die Menschen, die in Mazedonien und auch anderswo unterwegs in Schwierigkeiten geraten, zu unterstützen. Die derzeitige Situation der Menschen hier in diesem Squat und auch anderswo in Griechenland auf der Straße, im Stadion oder sonst wo wirkt aussichtslos und frustrierend.

Es darf nicht sein, dass Menschen sich auf solch lebensgefährliche und entwürdigende Wege begeben müssen, wenn es doch möglich wäre einfach in den Zug oder das Flugzeug zu steigen und auf direktem, sicherem Weg nach Europa zu gelangen. Dennoch werden diese Menschen ihren Weg machen und sich von all den Repressionen nicht aufhalten lassen.

Solidarität kennt keine Grenzen! Open all borders!