Idomeni, 01.- 03.03.2016
Wir waren für drei Tage in Idomeni an der griechisch-mazedonischen Grenze. Dort sitzen in einem inoffiziellen Camp direkt vorm Grenzübergang tausende Flüchtende fest, weil Mazedonien seine Grenzen geschlossen hat. Als wir ankamen, waren rund 8000 Menschen dort, zwei Tage später waren es schon über 12000. Kleine Zelte stehen längst weit auf den umliegenden Feldern und es gibt weitaus weniger davon als nötig wären. Bei Regen steht das ganze Camp unter Wasser und im Schlamm. Es fehlt an allem, die Versorgung durch NGOs wird der immer weiter wachsenden Anzahl an Menschen nicht gerecht. In ganz Griechenland verteilt stecken zurzeit über 20000 Menschen fest, von denen viele zu Fuß auf dem Weg Richtung Grenze sind. Schon vor einer Woche mit noch 6000 Menschen im Camp bezeichneten das slowenische Fernsehen und viele andere Quellen die Situation als “humanitäre Katastrophe”.
Die hygienischen Bedingungen sind entwürdigend. Außer einigen mobilen Toiletten, gibt es keinerlei Sanitäreinrichtungen. Im Gespräch mit den Menschen war einer der ersten Punkte, der stets angesprochen wurde, die fehlende Möglichkeit sich oder die Kinder zu waschen, zu duschen oder sich zu rasieren.
Es gibt viel zu wenig Essen im Camp. Die einzige Versorgung von offizieller Seite sind kalte Sandwiches, die vom UNHCR verteilt werden. Für eines dieser kleinen Sandwiches müssen die Menschen ein bis zwei Stunden anstehen. Unabhängige Freiwillige und Aktivist*innen sind die einzigen, die mittlerweile bis zu 8000 warme Mahlzeiten täglich verteilen. Dass das überhaupt nötig ist, zeigt das Versagen der Regierungen und die Grausamkeit der EU-Grenzpolitik. Die Zustände in Idomeni sind das Ergebnis politischer Machtspiele auf dem Rücken von zehntausenden Menschen auf der Flucht – das ist keine humanitäre Katastrophe, sondern politisches Kalkül.
Die Stimmung unter den Menschen ist gekennzeichnet von Erschöpfung und Verzweiflung. Es gibt kaum Strom, Telefonnetz oder Internet, dadurch fehlt es den Leuten an Nachrichten und Informationen über die aktuelle politische Situation. Alle im Camp warten darauf, dass die Grenze geöffnet wird und hoffen, dass sie dann durchgelassen werden.
Es werden immer mal wieder fünfzig oder hundert Flüchtende über die Grenze gelassen, um den Menschen ein kleines bisschen Hoffnung zu lassen und das Protestpotenzial zu reduzieren. Dennoch kommt es zu Protesten. Bei einem Protest am 28.02. rissen Menschen im Camp einen Teil des Zauns ein. Die Polizei reagierte mit Tränengas, von dem zehn Menschen ohnmächtig wurden, und die Grenze wurde daraufhin für zwei Tage komplett geschlossen. So werden Konflikte zwischen den Menschen im Camp geschaffen, denen die protestieren und anderen, die aus Angst vor weiteren Sanktionen einen Protest verhindern wollen.
An der Grenze zwischen Griechenland und Mazedonien stehen mittlerweile zwei Zäune, zwischen denen sich ein etwa 5 m breiter Streifen befindet der von Militär bewacht wird. Als wir im Camp waren, sahen wir 30 bis 40 Flüchtende, die zwischen den beiden Grenzzäunen festsaßen, im Freien schlafen mussten und dabei vom mazedonischen Militär bewacht wurden. Wir fanden heraus, dass diese Menschen von Mazedonien nach Griechenland zurück gepusht werden sollten. Griechenland weigerte sich jedoch, weitere Push-Backs zu akzeptieren, so lange Mazedonien die Grenze nicht öffne. Also saßen die Menschen zwischen zwei Zäunen fest. Einige Personen der Gruppe hatten es geschafft den griechischen Grenzzaun zu überwinden, um zurück nach Griechenland zu gelangen. Die im Niemandsland gefangenen Menschen dienen als Spielball für Grenzpolitik und gleichzeitig als Abschreckung davor, die Grenze “illegal” zu überwinden.
In Gesprächen wurden wir immer wieder gefragt, wie lange es noch dauern würde, bis unsere Gesprächspartner*innen die Grenze überqueren dürften. Wie lange, bis es endlich mal wieder gute Nachrichten gebe… Wir hatten keine Antwort.