Solidarität mit allen Flüchtenden, die gerade im Knast sitzen
Vor einigen Tagen erreichte uns die Nachricht, dass mehrere Freund*innen von uns im griechischen Abschiebeknast Paranesti bei Drama nahe der bulgarischen Grenze festsitzen. Wir haben sie im Transit ihrer Flucht aus Marokko Richtung Deutschland in einem besetzten Haus in Thessaloniki kennengelernt und stehen seither in engem Kontakt.
Ein Freund rief uns aus dem Knast an und berichtete, dass er und weitere Freunde beim Versuch, sich falsche Papiere zu besorgen, verhaftet wurden. Zunächst wurden sie in einen “normalen“ Knast für Straffällige gesteckt – 10 Tage lang ohne gerichtlichen Prozess. Danach wurden sie in den Abschiebeknast Paranesti nah der bulgarischen Grenze gebracht. Dort sollen sie nun sechs Monate (!) bleiben oder einer „freiwilligen Ausreise“ nach Marokko zustimmen.
Während des Schreibens dieses Textes haben wir erfahren, dass ein weiterer Mensch ohne Papiere aus dem Umfeld des Squats in Thessaloniki verhaftet wurde.
- Nach griechischem Gesetz werden falsche Identitätsangaben mit bis zu sechs Monaten Haft kriminalisiert. Die Leute sollen ihre Strafe erst in Griechenland absitzen, dann folgt die Abschiebung. Die Dauer im Knast kann bis auf maximal 12 Monate verlängert werden.
- Offiziell steht den Gefangenen im Abschiebeknast das Recht auf ein Gespräch mit einer Anwält*in, auf medizinische Versorgung, über die Rechte informiert zu werden, Telefonanrufe zu tätigen sowie eine Stunde täglich raus zugehen zu.
Nach Erzählungen von griechischen Compas häufen sich Berichte Inhaftierter über von den Bullen gestohlenes Geld und Handys. Dieses Verhalten wird als Provokationsversuch interpretiert, um die Gefangenen unter Druck zu setzen, zu stressen und dadurch eine sogenannte „freiwillige Ausreise“ zu erzwingen.
Sechs Monate Haft, um dann höchstwahrscheinlich dorthin abgeschoben zu werden, woher die Menschen aus guten Gründen geflohen sind. Gerade Marokko, was derzeit so viel im öffentlichen parlamentarisch-politischen Diskurs auftaucht, wenn es um sogenannte sichere Herkunftsländer geht. Die europäische Abschottungspolitik ist ja nichts Neues und dennoch gilt es, sie immer und immer wieder an den öffentlichen Pranger zu stellen.
Welche weißen Herrscher*innen und Kapitalist*innen entscheiden willkürlich über die Sicherheit von Staaten, aus denen Hunderte Menschen fliehen? Rückübernahmeabkommen und im Gegenzug ökonomische Versprechungen werden ausgehandelt und hinter verschlossenen Türen bestimmt. Die Rechtfertigung solcher Entscheidungen mittels kapitalistischer Verwertungs- und Nützlichkeitslogik ist zum Kotzen!
Nein, Marokko ist kein sicheres Herkunftsland! Freie Meinungsäußerung, politische Bewegungen und Proteste werden kriminalisiert und mit harten Repressionen verfolgt. Wir wissen von Leuten, die aktuell in Marokko im Knast sitzen, weil sie an einer Demo teilgenommen haben. Knast bedeutet auch Rechtslosigkeit, Misshandlung und Folter. Sie werden dort vermutlich für einige Jahre sitzen, ohne Kontakt zu Freund*innen, Familie oder zu Anwält*innen. Ihre Freund*innen haben jegliche Spur von ihnen verloren, wissen nicht, wo sie sitzen. Gleiche Verfolgung gilt für freies Ausleben sexueller Orientierungen, die nicht der heteronormativen Matrix entsprechen.
Menschen, die genau dieser staatlichen Repression entfliehen, um dann von Deutschland oder wie unsere Freund*innen in Paranesti schon direkt an der EU-Außengrenze abgeschoben zu werden, droht zurück in Marokko gleich der nächste Knast. Denn die sogenannte „illegale Ausreise“ aus Marokko wird verfolgt.
Was bleibt den Menschen in einem System der hochmilitarisierten Abschottung, wo Menschen an Grenzübergängen nach Nationalität selektiert werden? Wo es in den reichsten Staaten der Welt „Obergrenzen“ für Flüchtende gibt und Supportstrukturen kriminalisiert werden? In einem System der Aushebelungen von Grundrechten im Akkord, repressiver Verfolgung, maßloser Ausbeutung und massenhaften Sterbenlassens auf dem Mittelmeer?
Wie soll es gehen ohne legale Fluchtrouten, ohne falsche Papiere, ohne „Schlepper*innen“ – das alles ist die Symptomebene dieses kranken Systems!
Flucht ist kein Verbrechen! Abschiebeknäste abschaffen!
Solidarität mit allen gefangenen Menschen auf der Flucht!
Text hier auch als pdf verfügbar. Verbreitet ihn gerne weiter.
Quellen:
http://www.w2eu.info/greece.en/articles/greece-detention.en.html
http://nolagerthess.espivblogs.net
https://www.amnesty.de/jahresbericht/2015/marokko-und-westsahara